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Diemtigtal-Reisebericht

Noi, mir habbed hüüt no gschlossse“. Übernachten in der Schweiz? Und das drei Tage vor Weihnachten? Gar nicht so einfach. Zu, zu und zu. Aber kein Grund für uns, daheim zu bleiben.

Hinter dem großen Nebel kommen die großen Berge mit den großen Felswänden, die ganz oben im ganz großen, wolkenlosen Blau enden. Frischer Schnee liegt auf den Bäumen und den Dächern der urigen schweizer Holzhäuser. Und die Eiszapfen glitzern im Sonnenlicht.

Wir fahren ins Diemtigtal. Das ist im Kanton Bern und geht von Thun aus zwischen die Berge.

Die Übernachtung findet sich dann doch ganz zügig. Im „Tiermatti“, einer urigen Kneipe von Anno 1751 mit urigen Räucherkammerqualitäten für einheimische Bergmutze, die vormittags schon urig unverständliches Buredütsch in den Bierkrug lallen. Dort gibt es einen Scheunenboden mit zweigeteilter Türe, einem Stapel staubiger Matzratzen und ganz viele staubige Decken. O warum nur mußte das Leben mich mit einer Stauballergie strafen? Haaaa-tschi...

Draußen bei den im Sonnenlicht glitzernden Eiszapfen geht es besser. Und für meinen Vater und mich noch eben schnell hoch auf den Stierenberg zum eingehen.

Am nächsten Morgen dann die Tour. Um neun fahren wir nach „Chilei“ indem wir den Schildern nach „Kiley“ folgen und schließlich in „Chiley“ ankommen. Zwei Schweizer mit ihrer Meinung unter einen Hut bringen? Das geht ja gar nicht. Noch nicht einmal, wenn es um den Ortsnamen geht. Aber die Schweiz hat auch unbestreitbare Vorteile. Zum Beispiel einen geräumten Parkplatz für Skitourengeher, da, wo sie am liebsten starten.

Dort steigen wir in die brrrkalten Skischuhe, kleben die Felle unter die Tourenskier und quietschen Schritt für Schritt in den Morgenschatten hinein. Zuerst geht es eben durchs Tal, dann sausteil durch den Wald. Das ist gut. Da springt allmählich die Ausdauerheizung an und die arterielle Vorlauftemperatur in den Zehenspitzen nimmt langsam wieder zu. Aber so lange sie weh tun, ist noch alles gut. Was schmerzt, kann noch nicht erfroren sein.

Meine alten Bretter mit den alten und zu schmalen Fellen rutschen mir bei jedem Schritt zurück und so dauert das eine halbe Ewigkeit bis ich mich seitlich auf den Kanten durch den finsteren Wald hochgejapst hab. Auf der Alm geht dann um viertel vor elf die Sonne auf. Die vielen großen sonnenuhrigen Gipfel, die die Schweizer aufgestellt haben, um immer genau zu wissen, wie spät es im Gebirge ist, sorgen für schattige Temperaturen. Aber oben ist die Welt wie bei Heidi. Idyllische heile Welt mit Felsen, Gämsen, dunklen Tannen. Nur daß die Wiesen im Sonnenschein nicht hellgrün sondern weiß sind.

Weit ist der Weg, noch ein wenig weiter und traumhaft schön. Aber weit. Die Zunge hängt mir so weit raus, daß ich mir Sorgen mache, sie könnte irgendwo festfrieren. Vorbei geht es an Flächen voll glitzernder kleiner schrägstehender Schneekegelchen, die die Sonne aus dem Pulverschnee herauserodiert. Vorbei an dem grandiosen Schauspiel, als hundert Meter vor uns eine Grundlawine sich mit knarzenden Geräuschen ganz langsam wie ein gestrandeter Pottwal über die Aufstiegsspur schiebt. Hoch geht es über die Südhänge in den Kesseln zwischen den „Schiben“ oder „Cheiben“ oder wie es eben heißen wird, wenn die Schweizer sich jemals darüber einig werden. Dort hin, wo die Hitze sich staut und die Felle pappen.

Dann der Lohn der Mühe: Etwa 50 Höhenmeter unter dem Gipfel der Männliflue hält mein Papa an, macht die Felle runter und meint: „Drei Photos kannst Du noch machen und dann fahren wir runter!“ Timeout - ärgerlich, aber definitiv die richtige Entscheidung. Und trotzdem traumhaft schön. Tolle, staubige Pulverschneehänge im unteren Teil der Abfahrt. Bei dem Sprung über den Bach hab ich dann doch zu wenig Schwung und rutsche zurück. Wie gut, daß der Bach gefroren ist. Und als wir unten sind ist es schon wieder saukalt und verdammt finsterlich schattig.

Das Zimmer im "Spillgerten" Hotel ist auch noch verdammt kalt. Aber nach ein paar Stunden wird es warm und wenigstens gibt es jetzt ein gutes, leckeres und vor allem staubfreies Basislager.

Zum Rauflihorn ist es wesentlich angenehmer. Da können wir dem Grimmimutz-Weg folgen. Und durch den dunklen Wald der Klamm entlang. Traumhafte Felswände stehen auf allen Seiten einfach so ungenutzt rum und der Reihe nach jagen die Gämsen über die Schneeflächen auf den Schrofenbändern. Besonders die Spillgerte sieht verlockend aus. Bestimmt ein lohnender Kletterberg.

Diesmal sind wir viel früher oben. Und dort auf dem Gipfel tummelt sich die halbe Schweiz. Die Tage, als das Skibergsteigen einigen durchgeknallten Spinnern vorbehalten war, sind definitiv vorbei. Heute sind die die durchgeknallten Spinner, die unten bleiben. Denn die Aussicht ist gigantisch. Rüber zur Männliflue können wir erst heute überblicken, wie weit unser Weg gestern wirklich war und wie knapp wir wirklich unter dem Gipfel gestanden haben. Ein Stück weiter ragt finster die Eigernordwand in den Himmel und Mönch und Jungfrau stehen ihr majestätisch zur Seite. Tausendundein weißes Hörnli von Horizont bis zum Horizont unter infernalem Blau. Im Norden liegt wie ein See der Nebel über den Schweizer Mittelland, dahinter Jura und Schwarzwald. Einfach nur unbenennbar schön.

Die Abfahrt ist auch traumhaft schön. Über den verblasen-verspurten Gipfelhang, durch traumhaft tiefen Pulverschnee und dann in den Wald. Da ist es am lustigsten. Dort hat sich nämlich ein knochenharger, buckelpistiger Eiskanal gebildet, der stellenweise nicht breiter ist als ein Meter. Die Bäume auf den Buckeln, die großen Steine und die Bäche verleihen der rasanten Abfahrt den gewissen Kick. Und den genießen wir, während wir wie durch eine Bobbahn mit wohl plazierten Kurzschwüngen zu Tal heizen.

Am letzten Tag kippt dann das Wetter und bedeckt sich leicht. Kein Wunder, daß ihm inzwischen kalt geworden ist. Wir laufen noch mal schnell auf den Meniggrat und fahren nach Erlenbach. Die Kirche dort ist sehenswert – nein, ich verrate jetzt nicht, warum. Und das restliche Dorf malerisch. Natürlich. Und viel zu früh tauchen wir wieder unter die Nebeldecke, um viel zu flache deutsche weiße Weihnachten zu verbringen.




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