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Engelhoerner2021-Reisebericht

Über vier Jahrzehnte ist es inzwischen her, dass ich das letzte Mal auf der Engelhornhütte war. Und ich bin wirklich dankbar, dass Hetti mich zu diesem Ort voller Geschichte begleitet.

Zuerst einmal fahren wir viele Kehren hoch nach Rosenlaui. Der Motor ist gut heiß gelaufen und Hettis Geduld mit meiner Fahrweise auch. Die Gletscherschlucht ist viele, viele Meter tief in den Kalk geschnitten, wellig oder geschliffen und rund gespült. Die Wände vibrieren vom Lärm des rauschenden Wassers. Der Himmel ist ganz schmal und fern. Tief beeindruckend.

Oben wartet die kleine, urige Engelhornhütte. Davor sitzen fröhliche Bergsteiger mit einem Glas Wein in der Nachmittagssonne, das Brünnchen tropft und plätschert, an der Hauswand trocknen T-Shirts und Socken. Marisa, die Hüttenwirtin zaubert die allerbeste Suppe, die ich seit langem gegessen habe. Und das war nur die Vorspeise. Nach dem Essen darf ich gemeinsam mit einem Bergführer abtrocknen und nach Marisas Appenzeller sinke ich glücklich ins Matratzenlager.

Nachts versuche ich, ganz leise zu sein. Ich will mal raus zum "Bad" unten im Wald. Vorsichtig schleiche ich Schritt für Schritt mit roter Stirnlampe über die unsäglich laut knarzenden Fichtenholzdielen und -Treppenstufen. Und dann stehe ich vor der verschlossenen Tür. Die hat drei Hebel. Beim untersten tut sich nichts. In der Mitte auch. Wieder nichts. Und oben ist ein ganz kleiner. Nach unten drücken hilft nicht. Nach oben drücken auch nicht. Drehen lässt er sich nicht. Und ziehen? Nein... Zum Glück gibt es hier keine Überwachungskamera, die mich dabei filmt, wie ich von einem Bein aufs andere hopse, während ich versuche, das Rätsel zu lösen. Am Ende ist es ganz einfach. Man muss es einfach nur wissen.

Am kommenden Morgen steht der Simeligrat auf dem Programm. Die erste Hälfte der Route bis zum kleinen Simelistock kenne ich schon. Zum Einstieg am Grassattel müssen wir die Felswände auf schmalen Grasbändern queren. Und nachdem wir sogar die richtige Trittspur gefunden haben, funktioniert das auch. Bis zum kleinen Simelistock gehen wir neun Seillängen klassisch mit Vor- und Nachstieg. Das wäre nicht immer nötig gewesen, ist aber besser so und auch zeitlich ok. Die Route ist klettertechnisch ganz einfach aber für den Grad und den Grat recht ausgesetzt und stellenweise etwas brüchig.

Es ist ein wunderschönes Landschaftserlebnis. Links und rechts von uns erheben sich schroffe Kalkspitzen. Unter mir sehe ich noch ein paar Meter Fels und dann erst wieder weit unten den Talboden von Rosenlaui. Übrigens ist der nicht zu überhören. Leise bimmeln die Kuhglocken herauf und ungefähr einmal pro Minute macht es laut "Diit – duut – döööt". Das ist der Postbus. Der hupt nämlich vor jeder Kehre. Und Kehren gibt es viele bis runter nach Schattenhalb.

Vom kleinen Simelistock dürfen wir erst mal auf den Verbindungsgrat abseilen. Gerade runter ist der Fels zu zackig, aber auf der Ostseite geht es gut. Der Verbindungsgrat geht unter Bergsteigern noch als Gehgelände durch, ist aber recht ausgesetzt und deshalb gehen wir ihn am laufenden Seil. Kurz unter dem großen Simelistock wird es wieder richtig Steil und ab hier ist wieder klassisches Klettern angesagt. Hier wird die Felsqualität besser und die Kletterei auch. Leider ist der schöne Aufschwung nur kurz. Es folgt eine Querung über ein Band und wir klettern an einer Standsicherung nach der anderen vorbei. Es ist ein bisschen wie auf dem Busbahnhof. Haltestelle 3 ist unsere. Und zwischen all den hübschen Bohrhakenlinien, die dort hochziehen, nehmen wir die einzige Route zum selbst absichern.
Ausgesetzt aber nicht schwierig geht es in schöner Kletterei um die Ecke und es folgt ein einfacher aber ebenso schöner Kamin. Die letzte Seillänge sieht beeindruckend aus, ist aber ganz einfach.

Am Gipfel ist die Tour noch lang nicht zu Ende. Wir klettern ab zum ersten Bohrhaken und seilen dreimal ab bis in die Simelischarte. Schon ein paar Meter weiter wartet die nächste Abseilstelle, und noch eine. Dann stehen wir auf einem Band. Ein paar Meter südlich um die Ecke wartet schon wieder ein Abseilhaken. Laut Führer reicht unser 50m-Seil. Praktisch ist es drei Meter zu kurz, aber die lassen sich seitlich gut abklettern. Dann folgt eine endlos lange brüchige Rampe. Die ist nicht schwierig aber kontinuierlich unangenehm. Erst halten wir uns rechts und in der Mitte. Plötzlich hören wir aus der Felswand eine Stimme rufen: „Weiter links absteigen!“ Danke! Das hat wirklich geholfen. Dann haben wir auch die Markierungen gesehen: Kleine, verblasste lila Pünktchen. Die findet man erst, wenn man direkt davorsteht. Am Ende geht es in eine steile Rinne ganz links. Eine glatte Platte wird abgeseilt, der Rest des Abstiegs ist einfach und der Nachmittag auf der Hütte sonnig und gemütlich.

Am nächsten Tag gehen wir auf den Rosenlauistock. Der hat eine schöne Nordflanke. Die ist immer noch einfach, lässt sich gut klettern und macht einfach nur Spaß. Bei der vorletzten Länge entdecken wir eine weitere Route, die links um die Ecke biegt. Dadurch lässt sich die Kletterei um zwei recht schöne Seillängen verlängern. Früh sind wir am Gipfel und genießen den schönen Ausblick.

Auch diese Tour ist oben noch lang nicht zu Ende. Einmal abseilen und über das Band queren, die Gratschneide drei Meter abseilen, eine steile Rinne abklettern und schon stehen wir auf einem einfachen Zickzackweg auf einer grasigen Flanke. Schon fünf Minuten später brauchen wir das Seil ein letztes Mal, um schön frei pendelnd einen Überhang runter zu kommen. Ein Stück tiefer folgt eine Kletterstelle und bei der ersten Baumgruppe geht es rechts durch das trockene Bachbett. Von hier aus ist es nur noch ein Bergweg mit einer kleinen Kletterstelle nach der anderen. Am frühen Nachmittag sind wir schon wieder an der Hütte.

Es ist sonnig, es ist warm. Wir sind verschwitzt. Also machen wir uns auf die Suche nach einer hübschen Badewanne. Irgendwo zwischen den Steinplatten finden sich ein paar Gumpen. Ich bin neugierig, ob weiter oben noch schönere sind und hüpfe viele Felsen hoch, bis ich im Ochsental stehe.

Alte Mauern sehen aus wie Ruinen prähistorischer Schutzhütten. Dazwischen stehen kleine Steinmänner und Steinsäulen, die teils kleine Chörten bilden. Eine trägt sogar einen Namen. Ein Ort der Ruhe und der Andacht. Langsam schreite ich durch die Mitte des Talkessels, höre die Weite der Stille, bin umrahmt von gotisch wirkenden Felspfeilern und fühle mich wie in einer Kathedrale der Natur, viel größer als Menschen sie jemals bauen könnten. Das ist einer der sakralsten Orte, die ich jemals kennenlernen durfte. Wie ein Altar liegt oben genau in der Mitte ein großer Felsblock und still stehen dahinter die Gämsen im Geröll.

An der Seite ziehen drei Rinnen nach oben. Gestern waren wir in der dritten. Heute gehe ich noch mal die zweite hoch. Die kenne ich schon. Gehen ist gut gesagt. Weil ich den schweren, losen Felsbrocken nicht traue, klettere ich durch einfaches, aber brüchiges Klettergelände nach oben und es ist ein ganz ordentliches Stück. Dann wird es steil und ein Stück weit klettere ich im dritten bis unteren vierten Grat eine Platte hoch bis zu einem Absatz. Den kenne ich gut. Da war ich vor rund vierzig Jahren schon mal. Die Felsplatten darüber werden sichtlich schwerer, links brüchig und rechts glatt und ohne Tritte. Das ist nichts mehr für einen seilfreien Spaziergang. Also klettere ich ganz vorsichtig Tritt für Tritt wieder ab und finde irgendwo in der Wildnis zwischen den Bergen eine schöne Felsbadewanne.

Langsam geht die letzte Sommersonne dieses Jahres unter und die Stimmung auf der Hütte auf. Die Kletterer erzählen von der Kingspitze. Dort will Bruno, der alte Hüttenwirt nächstes Jahr noch einmal hoch zu seinem 80. Geburtstag. Respekt!


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