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KarwendelAug2012-Reisebericht
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Karwendel August 2012
Top-down. So plant der Bergsteiger den Abstieg und der Manager den Urlaub. Die Zielerreichungsmatrix sagt Karwendel und Excel, Internet und der kleine Plastikschubsnager bleiben daheim.
In Mittenwald empfängt uns der traditionelle Alpennachmittagsschauer, dann geht es sonnig feucht über den entspannten Leitersteig auf die urig-hübsche Brunnsteinhütte, die richtig paradiesisch sein könnte mit einem etwas wirscherem Hüttenwirt.
Am Morgen machen wir uns aufstiegswarm, kühlen am windigen Brunnsteinanger wieder aus und klicken den gut drahtverseilten und umnebelten Mittenwalder Höhenweg, auf dem ebenso wenig Einsamkeit zu befürchten ist, wie auf dem Hamburger Heiliggeistfeld an schwarzrotgoldenen Sommerabenden. Als wir uns ausgurten, schallen bajuwarischer Blechblaschoräle zu salbungsvollen Worten aus dem Nebel empor, und beim Anblick der Karwendelbahnbergstation frohlocken wir und fühlen uns wie ein Münchner im Himmel. Ein gummiweicher Tunnel führt unter der westlichen Karwendelspitze durch ins Dammkar, dessen rolltreppige Ausrutschigkeit sich mit der Gesäßbremse bestens korrigieren lässt. Auf dem Predigtstuhl verwöhnt uns die Nachmittagssonne und im alpinen Abstieg ist jedes Seil ebenso willkommen, wie die Radlermaß auf der rundum lobenswerten, feschen Hochlandhütte.
Bei blauem Wettersteinpanorama schlendern wir hoch zum Wörnersattel und queren über die langen Geröll- und eisharten Firnfelder. Zwischendurch ist die schräge Querung der Felswand über den Gjaidsteig recht unterhaltsam und das liebliche Bäralpl entspannend. Alle paar Schritte hoch und runter geht es auf der hitzegestauten Südseite und das ersehnte Karwendelhaus will über Stunden kaum näher kommen. Schließlich sind wir dort, das Essen gut, das Warmwasser alle und die Dusche umso erfrischender.
Pisswetterbedingt lassen wir die Birkkarspitze rechts liegen, schlendern über den lieblichen Kleinen Ahornboden, verlassen zügig die zugige Falkenhütte und quartieren uns zu wucherverdächtigen Konditionen in einem wönzigen Dachkabuff in Eng ein.
Nach einem umso besseren Frühstück mit eigener Eieruhr schauen wir uns viele gemütliche Wiederkäuer an, bekommen auf der Lamsenjochhütte eine Apfelschorle und gerade kein Lager und gehen hoch. Der erste Klettersteig ist einfach, der zweite schon ganz nett und nach vielen lockeren Steinen und einem Stück drahtbefreitem Einsergelände stehen wir auf der Lamsenspitze: Anne tapfer und ich glücklich. Hinab nehmen wir den finsteren Brudertunnel durch das Innere der Felsen mit einigen Stellen, die sich schon ein bisschen nach Klettern abfühlen. Und nach langem Warten klappt das mit dem Lager dann doch noch.
Weil uns der Weg nach Westen über das Hallerangerhaus zu weit ist, steigen wir durch die Wolfsklamm ab, fahren zügig mit dem Zug nach Innsbruck, erreichen schaffnerpfeifenknapp den Anschluss und hüpfen im tropisch heißen Hochzirl wieder auf den Bahnsteig. Schneckengleich schleppen wir gefühlt unser Haus auf unserem Rücken und uns auf unserer tropfnassen Schweißspur nach oben, während das Rucksackthermometer irgendwas jenseits der 30 anzeigt.
Der ergiebige Niederschlag am vorletzten Tag beschert uns einen ruhigen Urlaubsvormittag auf dem tipptopp organisierten, rundum lobenswerten Solsteinhaus, wo das Essen schon auf dem Tisch steht, bevor der Satz mit der Bestellung zu Ende ausgesprochen ist. Nachmittags schauen wir uns noch den Gipfelnebel auf dem Großen Solstein an und finden auch nach längerem Suchen auf dem Westgrat mal wieder keine Gämsheide. Dafür geht Anne das erste Mal vorwärts vom Berg runter und ist mächtig stolz.
Am letzten Tag schließlich erwartet uns ein blaues Panorama bis zum Horizont. Und der ist verdammt weit weg. Wetterstein, Arlberg, Lechtaler, Öztaler, Tuxer Alpen, Vordere und Hintere Karwendelkette. Alles unter weitem Azur. Und wir auf dem Freiung-Höhenweg. Der ist alpin und die Seile sehr zurückhaltend verbaut und oft runter gerissen. Anne wandert tapfer vorsichtig über den Bröselfels, und es ist spät und wir beide kurz vor Hitzschlag, als wir zum Ursprungsattel raus kommen. Zum Glück geht es von dort hinab, hinab und hinab. Und wenn nicht ein schwarzer Hengst bei der Eppzirler Alm ausdauernd versucht hätte, in meinen orangen Helm zu beißen, wäre darüber auch nichts weiter zu berichten, als sattgrüne Waldwiesen und das Rauschen des Baches.
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