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MtAgner2025-Reisebericht
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Mt Agner
Spät ist es, als wir in Frassene starten. Die Sonne ist schon untergegangen. Ich folge nicht der Straße sondern dem Fußweg. Das funktioniert zuerst hervorragend. Leider verliert sich der Fußweg im Bereich des abmontierten Skilifts irgendwo und so darf ich zum Schluss mit meinen Weg über die steile Wiese mit dem hohen Gras selbst suchen.
Die Rifugio Scarpa ist angenehm leer und sehr nett. Natürlich bekommen wir noch etwas zu essen. Morgens stehen auf der Hütte alle früh um sechs auf. Alle wollen zum Monte Agner. Der wird etwa „Monte Anjähr“ ausgesprochen. Um zwanzig vor sieben starten alle anderen. Ich bin auch startklar. Frank sagt, er braucht noch fünf Minuten. Eine Viertelstunde später gehe ich dann schon mal ganz langsam los, damit er mich einholt.
Zuerst geht es über Wiesen und durch Latschen. Seitlich an einer Rinne ist der Einstieg. Die Kletterei ist kurz und einfach und endet auf einem ersten grasigen Absatz. Frank kommt unten auch um die Ecke. Alles gut.
Langsam gehe ich weiter. Das Wetter ist wolkenlos. Die Temperatur. Vor mir liegen bestimmt noch zwei, drei Stunden über voraussichtlich heiße eine Südflanke. Ich habe nur anderthalb Liter Wasser dabei. Ich entscheide mich, kontinuierlich weiter zu gehen in einem moderaten Tempo, das möglichst nicht schweißtreibend wird.
Der Klettersteig ist neu und gut angelegt. Der Steilaufschwung macht richtig Spaß. Weil ich so langsam bin, lasse ich mich von anderen Kletterern überrunden. Stellenweise sehe ich, wie Frank unten auf dem Absatz rumsteht und sich die Landschaft anschaut. Soll er. Das Gelände ist ja ungefährlich. Die zunehmende Hitze treibt mich weiter.
Oben geht es dann quer und diagonal über eine nicht enden wollende lange Schulter mit Südexposition. Über Gras und über Felsen, Gras, Felsen, Gras, Felsen. Gelegentlich ist mal eine Seilversicherung dazwischen. Es ist heiß und ich muss mir mein Wasser diszipliniert einteilen.
Den ersten halben Meter Schatten finde ich hinter der roten Biwakschachtel oben auf der Scharte. Ich bin hier nicht allein und froh, dass ich noch eine Ecke abbekomme. Es gibt Sonnencreme und einen Schluck Wasser. Lange bleibe ich nicht.
Hinter der Scharte beginnt der Anstieg zum eigentlichen Gipfelaufbau. Zunächst quert der Weg auf die Westseite. Ich genieße den Schatten und den kühlen Wind. Der Weg ist hier einfach und wirkt stellenweise leicht ausgesetzt. Die Tiefblicke nehmen zu und ich verstehe, warum die Felszacken hier ein beliebter Base-Jumping Spot sind.
Zuletzt folgt der Westgrat. Der ist brüchig und stellenweise muss ich den exakten Weg suchen. Eine perfekte Mikronavigation ist hier gar nicht so wichtig. Eigentlich kommt man hier überall problemlos hoch. Dafür kann man oben vom Grat aus stellenweise zwei Kilometer nach unten schauen. Denn die Nordwand rahmt die tiefste Schlucht der Alpen ein.
Auf dem Gipfel erwartet mich ein grandioses Panorama. Ich kann rund 300 km weit schauen. Im Westen sehe ich die Adamello, vor mir die Pala, dahinter Latemar, Rosengarten, Marmolada, die Fanesgruppe mit dem Tofana Rozes, die Cristallogruppe, den Pelmo, die Civetta und die tektonisch interessant geformte Schiaragruppe. Dazwischen viele, viele Gipfel, die ich noch gar nicht kenne. Gelegentlich weht ein Nebelfetzen hoch. Ich mache Gipfelfotos für die anderen Bergsteiger, eine halbe Stunde die Augen zu und warte, dass Frank gleich kommt.
Frank kommt nicht. Wahrscheinlich war er vernünftig und hat den Gipfel ausgelassen und gleich den Abstieg angetreten. Um halb zwei starte ich auch nach unten. Wir haben Abends noch einen Hüttenwechsel vor und deshalb muss ich jetzt runter ohne Wenn und Aber.
Auf dem Westgrat treffe ich dann Frank. Er will noch auf den Gipfel. Um diese Zeit ist das unvernünftig. Wie müssen runter. Er sieht das anders.
Der Abstieg macht bis zur Biwakschachtel Spaß. Dann entscheide ich mich für die schnellste Abstiegsoption durch den „Canale“. Die ist durchgehend steil und unangenehm. Ich glaube, jeden Bergsteiger, den ich dort gesehen habe, hat es mindestens einmal auf den Allerwertesten gesetzt. Die Seilpassagen tuen gut. Unten ist noch ein Firnfeld zu queren. Auf dem Originalweg wartet ein unangenehmer Schrund und so quere ich dreißig Meter tiefer ohne Probleme.
Die Hütte ist eine Wohltat. Es gibt ein Getränk, eine kalte Dusche, noch ein Getränk, noch eins und noch eins. Frank kommt um viertel vor sieben. Ich gehe davon aus, dass wir um diese Zeit selbstverständlich auf der Hütte bleiben. Hier gibt es grad Abendessen. Frank will unbedingt noch den Hüttenwechsel und sein Autoschlüssel gewinnt die Meinungsverschiedenheit. Und so endet die Agner Tour ohne Abendessen auf der Scarpa mit einem eiligen Abstieg durch die Dämmerung.
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