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Kenia2010-Reisebericht

Eine Safari durch Kenia

Seit einem Jahr kenne ich Hans-Georg. Aus der Lobby eines Münchner Hotels. Dort wurde die Idee geboren. Das zweite Mal haben wir uns dann in Nairobi gesehen. Zusammen mit Mausi, Gabriele, Silvia, Mark, Tim und Jan. Macht acht. Und dann ging es los...

Groß ist Nairobi. Es gibt Stau, Lebensfreude, ein paar singende Menschen, Stau, ein paar geteerte Straßen, einen Highway mit permanentem Stau, Linksverkehr, ganz viele Schlaglöcher und Stau. Nie durch eine unbekannte Pfütze fahren, denn Du weißt ja nicht, wie tief sie ist. Wenn Du überhaupt zum Fahren kommst. Wegen dem Stau. Der ist unglaublich. Liegen gebliebene Autos und Laster werden per Hand geschoben. Alles fädelt und drängelt links und rechts. Und wenn zwischen der Stoßstange und der Fahrertür vom Vordermann acht Zentimeter Platz ist, ist das schon viel.

Unsere beiden Jeeps öddeln über gute Straßen, poltern über Schlaglöcher, rappeln über Waschbrett-Sandpisten, hoppeln steil über Fels und Geröll, schnaufen durch tiefen Sand und schaukeln neben den Schlammlöchern durchs Gras. In den knietiefen Spurrillen und ausgetrockneten Schlammlöchern werden wir Kilometer um Kilometer buchstäblich von einer Seite auf die andere geworfen. Es geht vorbei an stinkenden Lastern, Villen, plastiktütenbenagelten Behausungen und strohgedeckten Rundhütten aus Lehm. Vorbei am allgegenwärtigen Plastikmüll am Straßenrand, vorbei an Rinder-, Ziegen- und Kamelherden, LKW-Wracks, Wanderpredigern und aufdringlichen Souvenirverkäufern. Die umschwirren uns wie die Schmeißfliegen. Dazwischen Kinder und dahinter der Papa, der ihnen zuflüstert „tell them you are poor, tell them you are hungry.“

Und vorbei an Hälse reckenden Giraffen und afrikanischen Eseln mit Smokingstreifen. In die Savannen, wo die wilden Tiere sind. Mal ins weite, salzige Gras- und Buschland nach Amboseli, mal zu den Nashörnern und Flamingos am Salzsee in Nakuru, zu den Hippos und Fischadlern nach Baringo, in die Dornsavanne von Samburu, in den Bergregenwald der Aberdares und ins weite Löwengrasland nach Masai Mara. Und dazwischen immer wieder nach Nairobi.

Im offenen Grasland stehen die Elefantenherden und laufen direkt vorm Auto über die Straße. Fast immer sind sie am Gras rupfen und kauen. So einen Elefantenhunger zu stillen, ist schon echte Elefantenarbeit. Und schließlich brauchen die Bullen ja Kraft, um beim dauernden Rüsselhakeln und Schädelwettdrücken zu gewinnen. Damit sie anschließend den Elefantenkühen zärtlich das Hinterteil beschnüffeln dürfen, um dann enttäuscht weiter Gras zu rupfen. Grad nicht der richtige Zeitpunkt. Und beim Beobachten erahnen wir leise ihre uns weit überlegene Sozialintelligenz.

Vor unserem Jeep liegt eine Tüpfelhyäne in der Pfütze und schläft in der Mittagssonne. Wir halten. Sie setzt sich träge auf und legt sich wieder hin. Verdammt, der Jeep ist ja immer noch nicht verschwunden. Als wir auf zwei Meter ran sind, trottet sie zur Seite und lässt uns vorbei. In der Nacht wird sie wieder kleine, elegant schöne Thomson-Gazellen hetzen. Die sind zwar viel schneller, aber die Hyäne hat mehr Ausdauer. Irgendwann geht der Gazelle die Puste aus. Arme Gazelle. Hyänen töten nicht vorm Fressen. Und am Tag kommen die Geier.

Wir treffen viele Forscher. Horchen auf das Grollen des Infraschall-Elefantenflüsterers Graeme Shannon, suchen mit Shivani Bhalla Spuren ihrer Löwen, trinken Tee mit Mary Wykstra, die die Samburu-Krieger nach ihren Geparden befragt, folgen den Werkstatt-Ratschlägen von John Doherty, der hunderte von Netzgiraffen persönlich kennt, planschen mit den Hyänenblutabzapfern Stephanie Daws und Kenna Lehmann und bringen die Leute vom RAE-Trust zu ihren gräsernen Begrünungserfolgen. Viele interessante Geschichten mit vier Beinen.

„Rupf – rupf – rupf“ hören wir nachts unser Gartenhippo Rasen mähen. Aber Vorsicht! Hippos sehen süß und knuffelig aus und sind vor allem saugefährliche Wildtiere! Von der Straußen sehen wir meist nur das Hinterteil. Der Kopf steckt irgendwo zwischen den Grasbüscheln und die Federn rühren die Luft um, um summschwirrende Blutsauger abzuwehren.

Wenn man die Kenianer nach Moskitos und Malaria fragt, bekommt man die stets gleiche Antwort: Gibt es in Kenia, aber nicht hier. Genauso mit den Ticks – das sind riesige Monsterzecken. Die gibt es auch angeblich nirgends. Trotzdem sind wir nach dem Abendessen verstochen und schnippen die Ticks dauernd von Armen, Beinen und Hals. Tägliche Malariaprophylaxe ist schon was Feines.

In vielen Parks darf man sich nur mit dem Auto bewegen. Nicht nur der Löwen wegen. Die dösen tags am Wegesrand. Löwen jagen nachts und am Tag werden sie gejagt. Von Massai als Mutprobe. Oder sie werden zum Schutz der Ziegen vergiftet. Leider sind es immer weniger. Obwohl wir in jedem Park 60 Dollar pro Tag und Nase zahlen, zeigt die Anwesenheit der Ranger wenig Ergebnisse. Ihre Hauptarbeit scheint im Abkassieren von Touristen, Nichtstun und Aufstellen von Verbotsschildern zu bestehen. Sie haben kaum Sprit für ihre zwei Jeeps. Das Geld geht andere Wege. Und die Spitzmaulnashörner waren unter den Augen der Ranger bereits erfolgreich ausgerottet.

Morgens um viertel nach sechs brechen wir auf zu unseren Gamedrives. Hoppeln ein Stück durch die Savanne bis wir auf Tiere treffen. Am Wasserloch kehren wir um. Da bleibt man schnell mal drin stecken. Und nachdem wir einmal den vierradgetriebenen Jeep per Hand wieder raus gezogen haben, wissen wir es besser.

Wie Wesen eines anderen Planeten schauen uns die Gerenuks an. Sie haben einen absurd dünnen und langen Hals und riesige Ohren. Von vorne sehen sie aus wie Ypsilon-Aliens. Voll eleganter Schönheit zieht vor uns eine Impala-Herde über die Straße. Die Oryx-Antilopen halten respektvollen Abstand ebenso wie die Topis und die Elen-Antilopen. In den Bäumen machen flatternd die Hornbills tschiepschreiend auf sich aufmerksam. Ein um das andere Mal erklärt uns Gabriele, was wir gerade sehen. An die Nashörner und Büffel fahren wir lieber nicht so dicht ran. Die sind stärker als unsere Jeeps.

Mittags ist die Dornsavanne scheinbar leer. Dann wird es Zeit die vielen Steine rum zu drehen. Denn etliche Unterseiten sind bewohnt. Man findet diverse Spinnen, viele Skorpione und einmal zischt mich eine African Carpet Viper an. Vorsicht! Ein Biss reduziert die Lebenserwartung auf eine halbe Stunde. Sie windet sich und das Reiben der Hautschuppen bringt das Zischen hervor. Lassen wir sie lieber in Frieden.

Vermutlich ist Kenia eines der wenigen Länder, in dem es mehr Zebrastreifen als Straßen gibt. Die Zebrastreifen laufen durchs hohe Gras, dazwischen Warzenschweine und die werden von den Zebras gerne verscheucht. Die Gnu-Bullen kämpfen um Reviere und warten, dass vorbeiziehende Herden aus Gnu-Kühen ihre Weiden toll finden.

Zwischendurch schauen wir uns das alles von oben an. In Kenia hat Hans-Georg seinen Flugschein gemacht und kennt das Land von oben mindestens ebenso gut wie von unten. In der gecharterten Chessna fliegen wir durch den Regenbogen an imposanten Felswänden und Wasserfällen entlang und über weites Kulturland und ebenso viel Savanne.

Auf dem Weg zurück nach Nairobi zwingt uns ein zerschreddertes Radlager an den Straßenrand. Hilfe ist schnell gerufen. Erstaunlicherweise ist das Telefonnetz meist sehr viel besser als die Straßen. Wenig später kommt uns der Autovermieter persönlich den weiten Weg aus Nairobi mit einer halben Ersatzachse entgegen. Und eine Dreiviertelstunde später ist die Achse vor Ort am Straßenrand gewechselt, eine Plastiktüte voll Getriebeöl eingefüllt, und wir fahren problemlos weiter. In Deutschland wären wir da gerade erst in eine Werkstatt geschleppt worden.

Dabei brauchen wir meist viel Zeit. Bezahlen dauert z.B. durchschnittlich eine halbe Stunde. Wer vorher weiter will, bekommt halt kein Wechselgeld. Quittungen sind eher die Ausnahme und ihre Durchschläge erst recht. Überhaupt ist das Meiste „Verhandlungssache“. Und die Handfläche der öffentlichen Hand weist im Regelfall nach oben.

In der Lodge halten wir misstrauisch unser Material zusammen. Dabei macht das freundliche Personal weniger Probleme als die Affen. Wir der Blitz turnt die Meerkatze ins Auto und bis wir etwas kapiert haben, werden die Bonbons bereits auf dem Dachfirst unter der schreienden Affenbande verteilt. Die bekommen sogar mit Räuberleiter die Türklinke auf. Und dann kommt Timms Affen-Trockenerbsenschleuder zum Einsatz.

Wegen des verspäteten Endes der Regenzeit, Nebel und Schmodder wird die geplante Mt Kenya Tour gestrichen. Stattdessen spazieren wir den Longonot hoch. Das ist ein kleiner Vulkan. Leider ist es auch dort oben auch so neblig, das wir nicht einmal den Kraterboden richtig sehen können.

Auf dem senkrecht aufragenden Tafelberg Ol Lolokwe ist das Wetter freundlicher. Oben gibt es weite Blicke in seine atemberaubenden Felswände, über die endlos weiten Ebenen und die grünen Hügel Afrikas. Ich sehe meine ersten Gipfelplateauelefanten und die unsägliche Hitze belastet Mensch und Material über die Grenze des Erträglichen hinaus. Trotz reichlicher Wasservorräte. Marks Schuhe lösen sich auf und er läuft stattdessen in den Autoreifen-Sandalen eines Samburu Warriors. Silvias Sohle verabschiedet sich ebenfalls und weil sie ohne ausrutscht, bricht sie sich den Arm an. Jan überhitzt sichtlich und hat Mühe, wieder runter zu kommen.

Tja, und ich dengel mir auf der Tour den Schädel an einem unerwartet niedrigen Eisentor von etwas unter einem Meter siebzig. Und nach den anschließenden Jeepschüttelung geht es mir so dreckig, dass Mausi mich liebevoll pflegt und ich mich ein paar Tage einfach nur erhole. Weil es anders nicht geht.

Dankeschön an Hans-Georg für die ganze Arbeit, die Organisation, diverse Rund- und Geradeausflüge, durchgehende Bespaßung und für viele, viele essentiell notwendige GPS-Waypoints. Und dem Team für eine spaßige und rundum geniale Zeit in der Sonne Afrikas.

Und so sitze ich in Masai Mara vor meinem Zimmer am Fluss und genieße die Stille. Schaue einem Krokodil beim Sonnen zu und einem Hippo beim Baden. Bin stolz wie Oskar, weil ich gerade aggressiv und mit lauten Schreien einen stattlichen Pavianmann beim Einbruch ins Zelt vertrieben habe – der hätte mich mit seinem Raubtiergebiss glatt umbringen können. Und während ich auf Jans Klapprechner diese Zeilen tippe, schaukeln sie alle auf dem Game-Drive durch Büsche und Grasland und erzählen mir gleich wieder von den Löwen am Wegesrand mit den vielen Monsterzecken im Gesicht, die es hier angeblich gar nicht gibt.

Jörg Kunze.

P.S.: Mehr dazu auch auf der Website von Hans-Georg Beschreibung
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