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NewZealand-Reisebericht
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Erster Kiwibrief
Viele Grüße vom anderen Ende der Welt! Ich stecke grad in Christchurch auf der neuseeländischen Suedinsel, kämpfe mit der amerikanischen Tastenbelegung und dem Web-Interface und finde es immer noch ein Wunder, daß ich von hier einen Brief an Euch alle auf der Nordhalbkugel schreiben kann.
Es ist eine weite Reise hier her. Eigentlich dachte ich, sie wäre sehr anstrengend, aber das stimmt gar nicht. Man weiß nur am Ende nicht mehr wirklich, wo das passende Wann zum Hier gerade stattfindet. Ich werd mich gleich mal vorne erkundigen, welchen Wochentag wir hier haben...
Es ist erstaunlich. So lang ich in Deutschland war, schienen Irak, Indien, Thailand, Australien jenseits des Ereignishorizontes zu sein. Jedenfalls ganz, ganz weit weg in einer anderen Welt. Im Flugzeug habe ich dann verstanden, wie nahe der Irak an Deutschland liegt und ich war erleichtert, daß der Flieger einen Bogen darum gemacht hat.
Dubai ist eine Welt für sich. Bereits im Überflug über die Lichter der Stadt bietet sich ein ganz anderes Bild, als im Westen. Die nächtlichen Lichter zeichnen große wohldurchdachte Anlagen in den Sand wie Ornamente, die nur der Himmel lesen kann. Und die Phantasie ergänzt dazu die Paläste, die zwischen diese Strassen passen. Und wenn man von oben ins Lichtermeer schaut, mit dem jeder einzelne Fels im Golf umspannt ist, versteht man: Wo auch immer die Energiekrise zugeschlagen wird, es wird nicht in Dubai sein.
Sydney. Sommer. Drückende, feuchte Hitze. Vielleicht 30 Grad. Eine schöne, sehr sympathische Stadt, die ausschließlich aus sehr aufgeschlossenen, freundlichen, hilfsbereiten und augenfällig gutgekleideten Aussies zu bestehen scheint. Überall ist es sauber, fast keine Graffitis, Blumen blühen, Brunnen plaetschern, Hochhäuser ragen in den Himmel und... Und dann steht man da mit seinem schweren Rucksack, fragt sich, wo man ihn bis zum Abend lassen soll. Nirgends gibt es mehr Schließfächer. Die am Hauptbahnhof sind abgebaut – wegen Terrorangst. Die bei Greyhound sind geschlossen – wegen Terrorangst. Und irgendwann findet man ein kleines Reisebüro, dass die Marktlücke „Locker“ entdeckt hat und für teures Geld ausfüllt. – Und nachdem ich unbeschwert bin, kommt das australische Gefühl. Überall fremde Laute in der Luft, die Vögel schreien wie kleine Kinder, in den Bäumen hängen Fledermäuse, groß wie Tauben. Nicht nur eine, sondern sie hängen so in den Bäumen, wie im deutschen Herbst die Äpfel. Überall seltsame Baume mit großen Brettwurzeln, von deren Ästen Wurzeln nach unten wachsen, aus denen neue Stämme werden. Und dahinter die Skyline, die Meerarme, üppige Yachten und japanische Digicamträger-Rudel...
Hier in Christchurch ist es eher bescheidener windig, kühl und es regnet nur deshalb nicht, weil keiner die Luft auswringt. Das Land und die Leute sind ein bißchen britisch, jedenfalls freundlich und genau so schwer zu verstehen. Und das nächste mal gibt es (falls das Internet gnaedig gestimmt ist) bestimmt mehr zu erzählen über eine Stadt, in der es dutzendweise Fahrradverleihe und Fahrradgeschäfte gibt und kein einziges hat Fahrradständer...
Liebe Grüße, Jörg
Zweiter Kiwibrief
Hallo wieder einmal!
Erst einmal möchte ich mich für Eure vielen lieben Antworten bedanken. Da brauche ich mich ja gar nicht einsam fühlen, auch wenn ich alleine unterwegs bin.
Inzwischen bin ich per Bus von Christchurch nach Queenstown gereist. Queenstown ist eine touristisch intensiv pulsierende Stadt und der Puls ist dabei so hoch, daß ich bereits nach einer Stunde wieder raus und weg war. Weil an dem Tag kein Bus mehr nach Te Anau ging und andererseits sich gerade eine stabile Hochdrucklage eingestellt hat, habe ich zuerst mein "Projekt" im Mt Aspiring Nationalpark in Angriff genommen und meine Basis, sprich mein Fahrrad per Bus weiter nach Wanaka verlegt.
Und da ging dann der Urlaub wirklich los. Hinein ins langgezogene Tal des Mantukituki, der sich ungebändigt durch die Berge, Wälder und Flats windet, bis er schließlich in den Wanaka Lake mündet. Von dort zu Fuß und mit Rucksack über die strohgelben Flats hinauf, zwischen Schafen und Rindern hindurch über Kiesbänke, vorbei an Wäldern, Wasserfällen und wilden Felsschluchten, von denen sich der Blick auf die Felswände und die zerrissenen strahlend weißen Gletscher eröffnet.
Von der Aspiring Hut aus konnte ich das erste mal den Mt Aspiring sehen, den sie hier auch das Matterhorn Neuseelands nennen. Das sollten sie nicht, weil dieses Bergmassiv mehr ist, als nur ein Abglanz. Finde ich jedenfalls. - Und ich sah hinauf zum Massiv des Mt. Liverpool und Mt. Edwards. Als ich den letzteren sah, mußte ich einmal herzlich laut lachen, weil ich doch tatsächlich mal darüber nachgedacht hatte, dort hochzuwollen. Aber diesen Felswaenden und rissigen Hängegletschern muß man einfach den Respekt zollen, den sie verdienen.
Jedenfalls bin ich an diesem wunderschönen sonnigen Nachmittag um zwei in praller Sonne weiter aufgebrochen zum Cascade Sattel. Dazu muß man erst einmal hoch zum Pylon, einem Aussichtspunkt auf einem Grat. Das sind auf der Karte nicht mehr als 3km, allerdings geht es dabei ca. 1500m hoch. Und dort habe ich dann mein Sturmgepäck und Zelt in der Nachmittagssonne durch die Vegetationszonen hochgewuchtet. In jedem Bach die Flaschen gefüllt, etwa 8l getrunken und war dann kurz vor Sonnenuntergang und kurz nach dem Ende meiner Kräfte oben. Später habe ich dann erfahren, daß ich mit absoluter Zielsicherheit als Einstieg den Track ausgewaehlt habe, der im Lonely Planet als einziger die Bewertung "very demanding" erhalten hat. Also der schwerste Track Neuseelands.
Am moosigen Ufer des Gletscherflusses habe ich dann bei ein paar anderen Bersteigern mein Zelt aufgeschlagen und die Felswände und die zackigen, scharfen Grate des Mt. Anstead bewundert. Am kommenden Morgen mußte ich mir zunächst fast zwei Stunden lang einen Zugang zum Nordgrat des Mt. Anstedt suchen. Den bin ich dann noch und konnte nachmittags nach etwas Kletterei (Schiefer, ca. III-V)am Gipfel bei absolut wolkenlosem Himmel den atemberaubenden Blick Auge in Auge mit den Gipfeln der Gletscherriesen Neuseelands genießen. Freier Blick auf Mt. Cook (der höchste Neuseelands), Mt Aspiring (Namensgeber des Nationalparks), die schroffen Wände des Mt. Liverpool, die spaltigen Eisfälle des Dart-Gletschers, den Pipikatea/Mt Earnslaw (der hat im Herrn der Ringe den Carahadras gespielt) und hunderte andere... unbeschreiblich...
Wenn man dort oben ist, hört man alle paar Minuten Wumm-und Donnergeräusche. Am kommenden Tag konnte ich dann auch sehen, wie jeweils von den Hängegletschern das Eis abbricht und die ca. 400m hohen Felswände runter kracht, um am Talgrund wiederum einen lawinenkegelförmigen Gletscher zu formen, der eigene Spalten und ein Gletschertor besitzt.
Weiter unten zwischen den Felsen hat plötzlich ein Falke einen Scheinangriff auf mich geflogen und ist ganz knapp über meinen Kopf hinweggezischt. Ich habe mal gehört, daß sie das machen, um von ihren Nestern abzulenken.
Was lustig ist: Geröllabfahrt. Mit jedem Schritt kommt man anderthalb Meter vorwärts, weil das Geröll, in dem man lauft zusammen mit einem runterrutscht. Was auch lustig ist: Die Firnfeldabfahrt. Skifahren auf den Schneefeldern. Nur eben mit Wanderschuhen. Meine brauchen mal bessere Kanten, weil sie nicht mehr richtig carven... Und was am aller lustigsten ist: Grasabfahrt. Wenn die Grashänge so steil werden, daß man nicht mehr vernünftig runterlaufen kann, kann man sich einfach auf den Allerwertesten setzen und sie wie auf einem Schlitten runterrutschen. Das schaukelt einen lustig zwischen den Grasbüscheln hin und her...
Und dann der Friede am Berg. Der Wind. - Das Gras. - - Das Gluckern der Baeche. Ein Himmel, ein Zelt, ein Panorama und sonst ... nichts ...
Das spannende beim Abstieg durch die Klimazonen ist, daß hier die Übergänge ganz plötzlich passieren. von einem Schritt zum nächsten steht man im Buschland, plötzlich im Grasland und hinter einem Grat plötzlich im Wald...
Regenwald. Farne, Farne, Moos, Farne auf dem Boden, Farne auf den Steinen, Farne auf dem Moos, Moos, das die Baume fast komplett einhüllt und schließlich Farne, die im Moos an den Bäumen wachsen. Und kleine Bäume, die im Moos in den Astgabeln der großen Bäume wurzeln. Ungefähr so sieht der Wald im Dart River Valley aus, den ich dann nach und nach durchquert habe. (Das ist im Herrn der Ringe übrigens der Fanggorn.)
Am Ende und dazwischen warten immer die Sandflies. Stellt Euch einfach Pferdebremsen vor, jedenfalls genau so aggressiv und schmerzhaft. Und das mit dem unscheinbaren Aussehen von Fruchtfliegen und schließlich ein paar hundert pro Kubikmeter. Jedenfalls in den beiden Kubikmetern, in denen man gerade steht.
Und jetzt sitze ich in Wanaka, werde erst mal lieber radfahren als laufen, bis die Füße wieder geheilt sind, die Waden aufhören zu jucken. Und mich die Meinung verläßt, daß jedes weitere Erlebnis blaß und nichtig sein wird. Weil nichts jemals wieder an diese Eindrucke heranreichen wird, die ich vom Mt Ansted mitgebracht habe und die mich auf wunderbare Weise erfüllen.
Liebe Gruesse, Joerg.
Dritter Kiwibrief
Hallo allerseits,
laßt mich zuerst einmal auf die häufiger gestellten Fragen Antworten:
Obwohl ich das ursprünglich vor hatte, war ich bisher weder in Te Anau, weil es sich einfach nicht ergeben hat, noch in Milford Sound, weil dort alle hinfahren und ich den Massentourismus-Betrieb nicht mag. Ich kann mir nicht vorstellen, daß das dort schöner ist, als die Slartibartfass-Fjorde in Norwegen.
Die ersten beiden Photo-CDs sind schon fertig. Es gibt also mindestens genug zum Anschauen. Und sogar noch viel mehr.
Die "Fledermäuse" aus Australien sind Grayhead-Foxbats oder so ähnlich.
Und jetzt laßt mich mal weitererzählen:
Neuseeland ist ein sehr, sehr freundliches Land. Das liegt vor allen an den Neuseeländern, den Kiwis. Das fängt schon bei der Begrüßung an. Kiwis begrüßen sich immer mit Fragen, damit es einen Anfangspunkt für ein Gespräch gibt. Sobald sie herausgefunden haben, daß man irgend etwas brauchen könnte, bekommt man es angeboten. Und sei es nur einen Vorgarten fürs Zelt in einer Stadt, die noch 1000km entfernt liegt...
Wen trifft man hier so? Am häufigsten sind es Deutsche. Etwa genau so häufig sind die Israelis. Das hat mich etwas erstaunt. Die Israelis machen gerne eine größere Reise am Ende ihres 3 jährigen Wehrdienstes und Neuseeland liegt nach Thailand und Südamerika auf Nr. 3 ihrer Wunschliste. Dann irgendwann kommen die Kiwis, also die Einheimischen, anschließend Australier, Briten und Holländer und am Ende der Liste die ganzen Exoten, sprich Dänen, Kanadier, US-Amerikaner, Argentinier und ganz selten mal einen Japaner.
Das erstaunliche ist, daß man fast alle, mit denen man mal gesprochen hat irgendwo hunderte von Kilometern weiter unerwartet wieder trifft, auf einem Track, bei einem Denkmal oder wo auch immer. Und dann werden Erlebnisse ausgetauscht.
Bis auf die Uhren geht hier alles andersherum. Wenn man über die Strasse geht, schaut man zuerst mal nach links, geht los und wird fast überfahren, weil man hätte nach rechts schauen sollen. Die Autos gehen andersherum, die Kreisverkehre, die Tiefdruckgebiete auch und die Sonne, die steht nämlich mittags im Norden.
Neuseeländer brauchen 3 Dinge um eine Strasse zu bauen: Kies, Bitumen und Fell. Für das Fell müssen in großen Mengen Kaninchen und Opossums herhalten. Die werden dann einfach auf den Asphalt gewalzt und das ganze stinkt fürchterlich. Kein Kiwi würde für ein Opossum bremsen.
In den letzten Tagen bin ich von Wanaka nach Hokitika geradelt. Und weil mich dabei der Hafer gestochen hat, hab ich die Südalpen auf einem 160-km Trip an einem Tag überquert und bin am nächsten gleich noch mal 120 km weiter nach Fox Glacier gefahren. War wohl nicht so gut. Heut muß ich nämlich einen Ruhetag einlegen, weil mir das linke Knie wehtut und ich keine Lust hab, noch mal 100km mit dem rechten Bein zu treten...
Hier ist Hokitika. Und Hokitika ist ein schönes, kleines, ruhiges Städtchen. Alte Goldgräberstadt. Heute eher Jade. Sozusagen die erste richtige Kleinstadt seit hunderten von Kilometern. Hier gibt es alles, was der Kiwi braucht. Sogar einen Arzt, einen Motorsägenladen und einen Zugang zur Pazifikküste.
Ich hab mich sehr gewundert, was die hier Ort nennen. Haast z.B. ist eine Siedlung, die schon 400km vorher ausgeschildert ist. Sie besteht aus einer Tankstelle, 2 Motels, einem Backpackers, einem DOC-Infobüro und zwei Farmern. Das nennen die hier Stadt.
Ich dachte das letzte Mal, ich hätte schon einen Regenwald gesehen. Trugschluß. Ich nenn das, was ich das letzte mal gesehen habe, mal Mooswald. Der Regenwald jedenfalls steht an der Westküste. Dschungel, wie er im Bilderbuch steht. Jeder Baum ist ein Biotop für sich. Ein Baum wird im Durschnitt von sechs verschiedenen Pflanzenarten bewohnt. Manchmal ist es fast unmöglich zu sagen, welche Sorte Blätter jetzt eigentlich für den Stamm verantwortlich ist. Und dazwischen zirpt und fiept es, daß man sich die Ohren zuhalten möchte. So laut.
Manchmal glaube ich, die Sounddesigner der Computerspiele kommen alle aus Neuseeland. Ein Vogel klingt genau wie mein Telephon. Einmal fragte eine Holländerin auf dem Zeltplatz, wer den hier die ganze Nacht Video gespielt hätte. Hatte keiner. Waren die Vögel.
Regenwald. Hunderte von Kilometern Regenwald. Kaum eine Siedlung. Alle 40 km eine Schotterpiste, die abgeht und dann wieder ein Touri-Punkt, wo zwanzig Reisebusse ein paar Tonnen Touris abgeladen haben. Stille Täler und seitab: Okarito.
Okarito ist eine alte Goldgräberstadt. Jetzt hat sie noch etwa 13 Einwohner. Es gibt dort eine Jugendherberge mit schätzungsweise ca. 20 Quadratmetern. Ohne Strom, versteht sich. Traumhaft schöne Küstenabschnitte, Sandstrand, Lagunen. Und Kiwis - nein, nicht die Neuseeländer sondern die Vögel. Die Kiwis sind allerdings im Gegensatz zum Neuseeland-Jörg nachtaktiv und gut getarnt. Und deshalb hab ich auch noch keinen gesehen.
Der Pazifik hat eine angenehme Temperatur, eine für hiesige Verhältnisse ruhige Brandung mit ein bißchen Strömung, gegen die die Nordsee vor Sylt als stehendes Gewässer erscheint. Mit anderen Worten, es mach absolut Spaß, in die Brandung zu gehen, aber man muß höllisch aufpassen, Boden unter den Füßen zu behalten. Sonst reißt einen die Strömung mit und dann gibt es kaum noch einen Chance.
Was mich wundert: Hier läuft hunderte von Kilometern ein Highway ein paar Kilometer neben der Küste lang. Und trotzdem gibt es kaum Zugänge zur Küste. Vielleicht alle 100km mal einen. Und dann stehen da nicht mal Häuser. Küste ist hier etwas, was kein Mensch zu brauchen scheint. Seltsam.
Fahrradfahren ist gut. Weil man das Land sieht. Es er-fährt. Aber die Strassen führen einen Nicht an die Punkte, an denen man dieses Land wirklich erleben kann, wo man mit der Landschaft und den Elementen alleine ist. Und deshalb werd ich demnächst wieder einen längeren Fußmarsch in Angriff nehmen. Auf zu neuen Erlebnissen.
Bis bald, liebe Grüsse vom Rechner im Fischereigeschäft... Jörg.
Vierter Kiwibrief
Hallo allerseits,
wie beschreibt man eigentlich 97 Prozent Luftfeuchtigkeit? - Nach über 50 km schöner Fahrradfahrt durch das Nichts bin ich in eine "Stadt" gekommen. Dort gab es eine Tankstelle, einen Helikopter, ein Infobüro und drei Farmer. Das war es. In der Tankstelle hab ich eine Schachtel überlagerte Ingwerkekse gekauft. Ich habe sie aufgemacht, versucht reinzubeißen. Ging nicht wirklich, Sie hatten etwa die Konsistenz von Birkensperrholzscheiben. - Kein Problem, denn wir haben ja 97 Prozent Luftfeuchtigkeit. Einfach Packung aufmachen, eine Stunde offen liegen lassen und schon sind sie weich, saftig und auf einfache Weise zu genießen.
Wie beschreibt man die Gerüche hier? - Das geht eigentlich nicht. Manches kommt einem bekannt vor. Z.B. stehe ich plötzlich an einem Berghang und alles um mich herum riecht nach Weihrauch. Aber die meisten Gerüche lassen sich nicht beschreiben. Weil auch die hiesigen Pflanzen sonst nirgendswo auf der Welt wachsen.
Und noch was, was ich nicht beschreiben kann: Ich rolle die Pazifikküste entlang. Rechts zirpt es aus den Rimus und Matais (Baume) und die bunten Neuseelandtauben schwirren durch die Luft, lassen ihre fremdartigen Rufe erschallen. Links ragen einige Nikau-Palmen aus den hohen Harakeke (Neuseelandflachs) hervor und dahinter rollen die Wellen heran, branden donnernd über die endlosen, menschenleeren Sandstrände... Und so rolle ich mit wenig Kraft mit sanft enthobenem Lächeln durch die diesige Brandungsluft. Rieche das Salz. Werde umfangen vom Rauschen, vom Nebel, vom Gesang der Vögel und drifte weiter und weiter weg. Stundenlang... 10 km... 20 km... 50 km...
Manchmal muß ich mich auch ein Stück weit ins Gebirge hoch kämpfen. Aber am Ende wartet immer wieder ein Blick auf noch mehr menschenleere, Traumstrände, Sand, Felsen, Wellen, Brandung, Gischt....
Heut vormittag hab ich den ganz kleinen Kekenos (sowas wie Seeloewe oder Seehund) beim planschen in der Brandung zugeschaut. Sind die putzig!
Ich hab was praktisches rausgefunden: Wenn ich hier im Pub einen Whiskey statt mit Eis (welch Schande!) mit Klavierschlüssel bestelle, muß ich am Ende gar nichts bezahlen, sondern bekomm immer noch einen. Dann werden plötzlich aus allen Ecken Instrumente hervorgezaubert und dementsprechend wird es ein lustiger Abend. Ich hab das einfach mal ausprobiert und es war absolut klasse.
Was auch noch lustig ist: Wekas füttern. Die Wekas (flugunfähige braune Vögel) sind naemlich nicht ganz so scheu wie die Kiwis und lassen sich hervorragend mit Kekskruemeln locken. Man braucht aber sehr viel Geduld, bis sie wirklich nah rankommen.
Ach Leute, ich könnt Euch hier so viel erzählen, aber ich fürchte, den Rest müßt ihr Euch einfach mal denken.
Das nächste mal gibt es dann wahrscheins Neuigkeiten aus dem Nelson Lakes Park. Wenn ich meine Reisepläne nicht wieder spontan ändere, so wie heute.
Liebe Grüße Jörg.
Fünfter Kiwibrief
Hallo allerseits!
Inzwischen habe ich mein persönliches Paradies gefunden: Es ist ein kleines Plätzchen in der Nähe von Takaka in der Golden Bay. 5 Minuten hinter dem Zeltplatz fangen die Pancace-Rock Kalksteinfelsen an. Bohrhaken sind reichlich vorhanden. Und nette Leute auch, mit denen man ein Paar Seile klettern kann. Wenn man dann keine Lust mehr hat, oder es zu warm wird, dann geht man ein paar Meter weiter, wo die kantigen, rundgewaschenen Kalkfelsen von Peynes Ford aus dem Süßwasser ragen. In dem stehen sie vielleicht 5 Meter tief und bilden ein wunderschöner Platz zum planschen oder klettern in Badehose. Und wenn man beim Bouldern einen Fehler macht, macht es Platsch und man erschreckt ein paar Aale.
Zehn Kilometer weiter liegt die Golden Bay mit angenehm warmem Meerwasser, endlos langen Sandstränden auf der einen Seite und kleinen lauschigen Buchten auf der anderen. 30m-Felsen direkt über dem Sandstrand und dem rauschen der Wellen.
Als ich dort ein paar Meter ins brandungstrübe Wasser schnorcheln gegangen bin, habe ich das erste mal erlebt, wie es ist, mitten in einem riesigen Fischschwarm zu schwimmen. Unzählbar viele kleine und große Fische zogen dort in einem Meter Abstand Kreise um mich herum. Da kann einem wirklich schwindelig dabei werden, weil sich alles bewegt. Ich glaub die kleinen lanzettförmigen silbernen mit den gelben Augen waren Heringe. Die großen weißen mit dem schwarzen Punkt unter der Flosse kenne ich leider nicht.
Und im Abel Tasman Park habe ich sogar mal einen weit größeren Fisch gesehen. Ca 70 cm lang, 20 cm hoch, hellbraun auf dunkelbraun getigert und mit grünen Flossen.
Und natürlich ganz viele kleine süße Kekenos (Robben), die um uns herum geplanscht sind. Sie waren allerdings noch etwas zu klein und zu vorsichtig, um sich direkt an die Kajaks ranzutrauen.
Eigentlich wollte ich da gar nicht mehr weg. Bin dann aber doch auf die Nordinsel gefahren. Und bekomme schon langsam wieder Heimweh nach Peynes Ford....
Also erzähl ich noch weiter von der Südinsel, vom Nelson Lakes Park und der Robert Ridge, dem ersten Höhenzug, der sich über das westliche Hügelland erhebt und auf dem man stundenlang über die Welt hinwegläuft mit einem gigantischen Panorama. Und beim Rückweg sogar über den Wolken, was eigentlich sogar noch schöner ist.
Dort oben hab ich Eli, einen netten Israeli das fünfte mal zufällig getroffen. Deshalb sind wir zusammen auf den Angelus Peak gegangen. Und so standen wir dann dort oben triefnaß im plötzlich aufgekommenen dichten, nieselfeuchten Nebel mit vielleicht 20m Sicht, der uns mit weißichnicht wieviel Stundenkilometern um die Ohren gefetzt wurde. Und bei dem man ernsthaft auf sein Gleichgewicht achten mußte, um nicht vom Gipfel oder den Graten gefegt zu werden.
Den Satz, den Eli dann am Gipfel sprach muß ich zitieren, weil er einfach nur gut ist: "George, yo kno, inn Issrraell we havve a godd senntencce: - Experriencce iss suffferingg inn the passt"
Es ist übrigens gar nicht so einfach bei 20 m Sichtweite wieder den Weg zwischen den Geröllhalden, Felswänden und Schluchten zurück zu finden....
Kiwi Spirit. Das, was Neuseeland ausmacht. Das, was ich hoffentlich auf irgendeine Weise mit nach Hause nehmen kann. Weil der Kiwi Spirit alleine schon die Reise wert war. "Leaned back", "relaxt", "no hurry", "no problem". "If we are a quarter hour late, we are still on time. If we are half an hour late, we should maybe do something. If we are one hour late, the schedule is wrong."
Ich sßs im Bus und eine Viertelstunde nach Abfahrt sagte irgendwo hinten ein Passagier zu einem anderen: "Damned, I have forgotten my camera." Der Busfahrer hatte es offensichtlich gehört, fuhr links ran und fragt zurück: "Do ya know, where ya left it?"- "Yes, ...". Keine weitere Frage, der Busfahrer drehte um, fuhr eine Viertelstunde zurück, der Touri hoppte raus, kam zwei Minuten später mit seiner Kameratasche an und der Bus fuhr wieder los. Macht ja nichts. Wenn der Bus eine halbe Stunde später kommt warten eben die Anschlußbusse. Oder auch nicht. Macht auch nichts. Dann sucht man sich eben eine Übernachtung und bleibt einen Tag länger, bis der nächste Bus fährt. Kiwi Spirit - lean back, take it easy. Mit deutscher Denkweise hat man in diesem Land keine Chance. Und das ist gut so.
Den Kiwi Spirit gibt es besonders im Süden. Da leben vielleicht eine Million Menschen auf der Fläche von Westdeutschland. Jeder kennt irgendwie jeden oder jemanden, der jemand kennt, der und so weiter. Vielleicht die Hälfte der Leute dort sind selbst eingewandert und die andere Hälfte stammt von jemandem ab, der eingewandert ist. Alles Menschen, die ihre heimatliche Sicherheit verlassen haben und einen Schritt gewagt haben in ihr persönliches Paradies und die ihr Leben dann auch so verstehen. Macht nichts, daß man hier weniger verdient und nur zwei Wochen Urlaub hat. Die anderen vier Wochen nimmt man viertelstundenweise während der Arbeit. Kiwi Spirit.
Und zwischen den Altkiwis und Neukiwis wuselt ein Heer von Schulabgängern und Aussteigern, die von einen Tag in den anderen leben, reisen, bis das Geld alle ist und dann wieder jobben gehen. Hier geht das. Spätestens nach dem zehnten bis zwanzigsten Anruf gibt es einen Job für 2 Wochen. Das Leben ist erstaunlich einfach, es kommt ohne Sicherheiten aus und es fühlt sich irgendwie gut an.
Irgendwie sind die Neuseeländer auch größtenteils angstbefreit. Ich kann mir nicht vorstellen, daß man in Deutschland drei komplette Skigebiete inklusive Hotels auf einen aktiven Vulkan baut, der das letzte mal vor 8 Jahren ausgebrochen und immer noch sehr aktiv ist. Wie sagte der Busfahrer: "Ruapehu erupted the last time in 1997 and ruined one and a half skiing seasons." Ich kann mir auch nicht vorstellen, daß in Deutschland täglich zig hundert Leute auf einem aktiven Vulkan rumklettern könnten. Das ist so, als ob man auf etlichen hundert Wasserstoffbomben steht und genau weiß, daß sie demnächst mal wieder gezündet werden.
Vorgestern bin ich auf den Ruapehu hochgeklettert und über den Kraterrand-Grat marschiert. Faszinierende Landschaft aus steilen Felszacken, die Krater formen, Gletschern, von trichterförmigen Blasöffnungen übersäte Kraterebenen, aus denen Schwefeldämpfe aufsteigen und dazwischen der gelb schwefelschlammige stinkende Kratersee mit seinen 28 Grad Celsius mitten im Gletschereis.
Und zur anderen Seite einmal mehr eine unbeschreibliche Sicht über die endlosen Wolken, aus denen nur gegenüber der Ngauruhoe (Mt. Doom) und irgendwo am Horizont der Taranaki-Vulkan herausschauen. Unbeschreiblich.
Gestern hatte ich das gleiche Erlebnis noch mal auf dem Ngauruhoe, dem Schicksalsberg aus dem Herrn der Ringe. Ist übrigens eine ziemlich mühsame Sache, diesen Schuttkegel hoch zu laufen, weil das Geröll so lose ist, das man bei jedem Schritt die Haelfte wieder zurückrutscht. Läuft sich ungefähr so, wie ein frisch aufgeschütteter Haufen aus Seramis. Aber dafür macht nachher die Geröllabfahrt um so mehr Spaß.
Dahinter der große gelbe Krater, der Taurangi, der rote Krater, die grünen und blauen Kraterseen, aus denen der Nebel aufsteigt, überall zischen die Dampffontänen aus den Graten und verbreiten einen intensiven Geruch nach Schwefelwasserstoff. Gelegentlich rumpelt der Boden. Dazwischen schwarze Lavawülste. Mondlandschaft. Der Hauch der Erde, wie die Maori sagen. Und der ist ihnen heilig. - Ein wenig kann man es spüren, wieso.
Und für mich geht es gleich weiter, irgendwohin...
Viele Grüße, Jörg.
Sechster Kiwibrief
Hallo allerseits,
Während ich oben auf den Vulkanen rumgelaufen bin, war es unten immer bedeckt. Und gerade an dem Nachmittag, als ich in Taupo ankam, klarte es auf. Ich habe dann kurzentschlossen rumtelephoniert und mit etwas Glück doch noch einen freien Platz bekommen...
Ist das ein seltsames Gefühl. Du sitzt da auf der Kante des Bodenblechs der Einpropellermaschine, die Tür an der Seite ist offen, Dir bläst der Wind um die Ohren. Du schaust ohne was dazwischen etwa vier bis fünf Kilometer nach unten auf die Wälder und Weiden. Mit Deinen Versen spürst Du die Unterseite des Fliegers, in Deinem Rücken den netten großen Südafrikaner, dann macht es hopp, Du drehst Dich, verlierst jegliche Orientierung und fällst ins bodenlose...
...und fliegst...
plötzlich entsteht wieder ein oben und unten. Ein Moment zur Orientierung. Und dann kannst Du selbst lenken, Dich drehen. Links rum. Rechts rum. Unter Dir leuchten im Abendrot golden die Wolken, am Horizont steht die Sonne und hinten die drei Vulkane. Der Tongariro, der Ngauruhoe und der Ruapehu. Unten erstreckt sich der 35 km Kratersee Lake Taupo, die weiten Wälder und die Stadt selbst... Unbeschreiblich. Und irgendwann zeigt eine Hand auf den Höhenmesser und zeigt vier, drei, zwei...
hopp, reißt es Dich nach oben, während Dein Magen 200 m weiter unten fliegt. Du weißt genau, wo. Und dann hopp nochmal. Danach hängst Du da ein Weilchen, schwebst scheinbar langsam über allem. Nochmal unbeschreiblich. Aber doch anders. Es könnte unendlich lang dauern. Tut es aber nicht. Irgendwie kommt der Boden viel zu schnell näher, besonders, weil Du doch so wunderbar langsam und schwerelos schwebst. Und dann ist es viel zu schnell vorbei.
Unten versuchst Du, vorsichtig, das laufen wieder zu lernen. Aber eigentlich bist Du noch oben, schwebst, lächelst, drehst Dich links rum, rechts rum. Bist glücklich. Der Magen dreht sich auch noch. Mal links rum, mal rechts rum. Skysick. Die Welt ist gut und ein bißchen hihi.
Und am nächsten Morgen dreht sich der Magen immer noch. Mal links rum, mal rechts rum...
Coromandel. Weite Wälder und Lagunen. Bäume, die bis zur Krone im Wasser stehen, jedenfalls bei Flut. Und jedesmal, wenn man irgendwohin aufbricht geht der erste Blick auf die Tabelle mit den Ebbe- und Flut Zeiten und der zweite zur Uhr. Wenn man Kajaken will, ist es verdammt gut, Wasser unter dem Boot zu haben. Und wenn man wandern will, braucht man Boden unter den Füßen. So ist das hier.
Kawumm. Die Wellen rollen vom Pazifik rein. Das Wasser ist richtig angenehm erfrischend, aber nicht kalt. Das Wasser geht zurück, bis zu den Knien und - kawumm - die nächste Welle bricht über dem Kopf. Man kann richtig schön von unten die "Pipe" reinschauen, wie die Surfer sagen. Und dann sucht man sich wieder guten Stand und grinst die nächste Welle an. Das größte Wellenbad der Welt, der Pazifik,...
... ist aber auch das größte Aquarium der Welt. Und da gibt es tolle Fische drin. Rote (ca. 40 cm), die aussehen wie Welse, Blaue mit einem dunklen Strich, deren Unterseite gelblich leuchtet, wenn die Sonne scheint. Und nicht nur einen, sondern zig. In allen Größen von 10 bis 60 cm. Dann natürlich die großen Schwärme der zebragestreiften 40/50 cm großen. Husch, zieht ein Schwarm schwimmender Pinzetten ganz dicht unter der Wasseroberfläche dahin und ist gleich wieder weg. Am Boden schwimmt ein großer brauner hellbraun getigerter, vielleicht 80 cm lang. Und plötzlich kommt ein Schwarm mit etwa vierzig bis fünfzig "Snappern". Silbern mit großen kräftigen Kiefern. Fast alle etwa zwei Ellen lang. (Mein Arm ist das einzige Längenmaß, das ich beim Schnorcheln dabei habe, der Rest ist Schätzung.) Und dann schwebt da majestätisch ein großer Snapper und das erste mal beim Schnorcheln stelle ich mir ernsthaft die Frage, wer jetzt hier wem mal besser aus dem Weg geht.
Am schönsten finde ich die ca. 60-70 cm großen braunen mit den leuchtend blauen Flecken und dem leuchtend blauen Liedschatten. Und dann natürlich noch den nicht ganz 2m großen mit den rosa Flossen, der gelben Brille und dem orangen Schnorchel.
Am Ufer arbeitet ein Dreierteam von National Geographic und dreht einen Film. Nachher erzählt mit der freiwillige Hauptdarsteller, das es dabei um den großen Weißen geht. Daß er selbst damals vor einem Jahr ein paar Kilometer weiter nördlich in seinem Seekajak von einem großen Weißen angegriffen wurde und dass er verdammtes Glück gehabt hat, daß er das überlebt hat. Das verfilmen sie jetzt für eine Reportage. - Und irgendwo vor New Plymouth haben sie gerade wieder ein anderes stattliches Sechs-Meter-Exemplar gesichtet.
Klare Nächte. Wenn es nicht gerade bedeckt ist, sind hier die Nächte klar. Mit einem wunderbaren Blick auf das Zentrum der Milchstrasse, des "Rückrats" der Nacht. Daneben das Kreuz des Südens und die beiden Magellanschen Wolken. Tausende von Sternen, manche weiß, manche blauweiß, manche mehr rötlich.
Und dazwischen das Blöken der Rindviecher, das die Ganze Nacht nicht aufhört, die riesigen Zikaden, oder was immer dieses Geräusch macht.
Und morgens die Gesaenge der bunten Papageien, deren Lautfolgen ich mir beim besten Willen nicht merken kann. Ist einfach zu komplex für mich.
Inzwischen bin ich in Auckland, genieße meinen letzten halben Tag in Neuseeland bei Jacke-an-Jacke-aus-Wetter mit Sonne und Dusche. Und während hier ganz vereinzelt schon erste gelbe Blätter in den Kronen der eingeschleppten Baumarten erscheinen, werde ich mich wohl bald wieder daran gewöhnen müssen, den Blinker links, den Scheibenwischer rechts und die Sonne im Süden suchen zu müssen.
Viele Grüße, Jörg.
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