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Salbit2009-Reisebericht

Der Salbit und die Freude an der Trockenheit.

Der Schweizer Bundesfeiertag ist schon etwas besonderes. Besonders in Zürich. Da treffen sie sich nämlich, die Schweizer. Mit T-Shirts, Kleid, Feuerwerkskörpern und Bier wird die ganze Nacht demokratisch durch gefeiert. Einfach, weil das Volk es so haben wollte.

Am nächsten Morgen geht’s dann mit der Bahn Tunnel für Tunnel den Bergen entgegen und zwar Richtung Gotthard nach Göschenen. Anja, Stefan und Alex erwarten mich an einem Zeltplatz mit atemberaubender Aussicht. Die gibt es heute aber nicht. Heute regnet es.

Durch den Gewitterregen tappen wir hoch. Ein Blitz und der Donner hallt grollend durch das Gebirge. Über 30 Sekunden steht er in der Luft. Ich habe es ausgemessen. In der Salbithütte empfangen uns Hans Berger und sein Team mit einem leckeren Mittagessen und heizen den Ofen an, damit wir trocknen können. Wenigstens ein bisschen.

Betripst verdösen wir den Nachmittag. Bis der Regen nach lässt und wir uns ein paar Meter die Beine vertreten. Natürlich nehmen wir das Seil mit, dass wir in diesem Moment das letzte mal trocken sehen dürfen. Die „Yes Sir“ ist ein reiner Spaziergang und den feuchten Verhältnissen angemessen. Der Fels ist kantig, griffig und reibig und liegt gut in der Hand. Als wir oben sind, erwarten uns zwielichtige Aussichten und die große Gießkanne von oben.

Der zweite Tag hätte eigentlich ein super Tourentag sein können, sein sollen. Doch der Blick reicht kaum von Grashalm zu Grashalm. Wir ziehen trotzdem los und irren über die Geröllfelder, bis wir vor uns den Hüttengrat am Gemsplanggenstock ausmachen können. Eine ganz einfache und wunderschöne Route mit vielen Schuppen und Zacken. Im strömenden Regen werden Finger und Zehen taub. Wir entscheiden uns für den seitlichen Ausstieg nach Seil Nummer vier. Die Schrofen sind glitschig und ein erstaunlich langes Stück später stehen wir unten auf dem Firnfeld.

Zurück in der Hütte können wir die Schuhe ausleeren und die Unterhosen auswringen. Ja, so ischt das, wenns regnet. Und wieder wird es Nachmittag und wieder dösen wir, bis es Abend wird. Dann kommen meine Eltern zu Besuch. Einfach so. In die Schweiz. „Sind die locker drauf,“ sagt Stephan.

Dienstag ist unser letzter Tourentag. Morgens um sieben ist es neblig, aber trocken. Wir machen uns auf die Suche nach dem Salbit Südgrat. Nasses Gras ist wie französische Dusche von unten. Drei Schritte und die Hose ist nass. Erst vorm Couloir gibt der Nebel kurz den Blick frei. Durch den strömenden Bach und über glitschigen Modder steigen wir auf und stehen auf dem Absatz. Nach einiger Suche und zwei gesicherten Seillängen schaffen wir es endlich, den Einstieg im Nebel zu finden.

Die Kletterei ist großartig, gigantisch. Die vielen nassen Reibungstritte weniger. Bohrhaken sind im Nebel schwer auszumachen. Der Blick reicht oft nur zum nächsten. Wenn überhaupt. Selten reißen die Wolken auf, dass wir den zackigen Westgrat erkennen können.

Im Nebel versteige ich mich auf die Nadel. Stehe oben und mache ein verdammt blödes Gesicht, als es nicht mehr weiter geht, sondern nur noch tief abwärts. Im Zackenschlingenstand hole ich Stefan nach, lassen ihn seilfrei vorbei steigen und erst oberhalb wieder sichern. Vom Stand aus blockiert er das Seil und elegant kann ich rüber schwingen zur nächsten Wand.

Auf dem Zwillingsturm ist es dann gut. Hände kalt, Füße kalt. Und der Stundenzeiger zeigt nach unten. Wir haben für Nässe und Orientierung viel Zeit verbraucht. Kurzer Anruf in der Hütte und wir seilen direkt runter. Die Abseilen sind super eingerichtet und wir zischen dem Boden entgegen. An einer Stelle finden wir den richtigen Ring nicht und nehmen einen zwanzig Meter seitlich. Nicht gut das.

Als wir unten ankommen, stehen wir nämlich gar nicht auf dem Boden, sondern auf einer kleinen Schneebrücke in der tiefen, breiten Randspalte des Firnfeldes. Raus klettern ist ohne Pickel und Steigeisen völlig unmöglich. Zum Glück können wir eine Abseile an eine Rostgurke fädeln. Mit Hilfe des Seils kämpfen wir uns durch die Spalte, bis wir tiefer eine Ausstiegsmöglichkeit finden. Seilen über das Firnfeld und gut.

Fast gut. Das Seil läßt sich nicht abziehen. Also muss ich noch mal hoch und es frei bekommen. Dummerweise rutsche ich beim Abstieg ein paar Meter über den Firn in die Steine. Verdammt glatt das.

Am Abend sind wir uns einig. Der Berg hat uns nicht gewollt. Manchmal sind sie eben auch schroff und abweisend, die Berge. Die Schweizer auch manchmal. Aber nicht da oben. Da ist es gastlich und nett.

Am letzten Tag ist das Wetter gigantisch, schön und stabil. Seilschaft für Seilschaft hängt im Grat. Wir steigen ab. Mit Reepschnüren bändelt meine Mutter ihre Sohle am Schuh fest. Fast muss sie mit Entenhausener Duck-Familien-Schuhwerk ohne Sohlen laufen. Anja ist glücklich, dass sie ihren Stefan wieder hat und nicht mehr allein ist und wir verstreuen uns in alle Himmelrichtungen. Stefan weiter in die Alpen, meine Eltern ins Saarland und ich nach Hamburg, wo es so flach ist, wie der Urnersee, nur ohne Uferfelsen.

Und die Moral von der Geschichte? Bei Sauwetter bleibt man am besten drin, wo es warm, ungefährlich und saugemütlich ist.



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