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UskedalenJuli2015-Reisebericht
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Kletterurlaub alpin und an Meer? Das geht? Klar. In Norwegen. Und zwar im Fischkoppparadies Uskedalen.
Wir sind vor der Kribbelkrabbelmonsterplage im Nissedal geflohen über den Haukeli drüber und unter der Folgefonna durch und schlagen unser Zelt am Hafen in Uskedalen auf. Das liegt reiseprospekthübsch am Hardangerfjord an der norwegischen Westküste ein paar Seemeilen südlich von Bergen. Möwen kreisen, Salzwassergeruch liegt in der Luft. Die Bierflaschen kühlen im Meerwasser. Kleine Fischerboote tuckern hin- und her, von fern ertönt das Boing-boing-boing der Werft und die Fischer schleppen ihren geruchsintensiven Fang direkt vor unserem Zelt vorbei. Maritime Idylle mit Diesel- und Fischaroma.
So feucht wie die Landschaft ist auch das Wetter. Schließlich sind wir hier in der regenreichsten Gegend Europas. Die nasskalte Luft des Nordatlantiks knallt ungebremst auf die steil aufragenden Berge. Und letzten Winter musste auf der Folgefonna der Skibetrieb eingestellt werden, weil bei 13 Meter Neuschnee die Skifahrer nicht mehr unter den Liftstützen durchgepasst haben.
Weil das Wetter so beständig feucht ist, gehen wir uns nur ein wenig die Füße vertreten, im aufziehenden Regen hoch auf den Englafjell. Das ist der Hügel gleich hinter dem Zelt und mit seinen 1200 m durchaus eine ordentliche Tagestour. Schließlich starten wir von unserer Luftmatratze und die liegt ziemlich genau einen Meter über dem Meeresspiegel. Oben gibt es noch viel steilen Firn und der Pickel macht absolut Sinn. Der traumhafte Ausblick über die hundert Seitenarme und Inseln des Hardangerfjords rüber nach Bergen bleibt unserer regenumnebelten Fantasie überlassen. Dafür können wir mit den Bergschuhen noch ein paar schöne Wedelspuren in die weißen Hänge hinein legen. Und unten rauschen die Wasserfälle.
Alpin klettern kann man hier auch. Die Norweger nennen das passend „Turklatring“. Die Wände der „Tinder“ – der Zähne sind so hoch, dass die meisten Kletterrouten schon in der Wandmitte zu Abseilpisten führen. Die Routen sind löblicherweise größtenteils clean belassen, d.h. es gibt dort nur nackten Fels und keine Bohrhaken. Dafür darf man mit Keilen und Friends selbst sichern. Das kostet ein bisschen Zeit, vor allem für den Standbau und bringt Laune. Norwegen ist einfach viel authentischer, als die touristisch gut erschlossenen Alpen.
Das Wetter ist schön und stabil, Ralf genießt die ruhigen Vormittage in seinem Schlafsack und so suche ich eine nur mäßig lange Tour raus: „Som en åpen bok“ am Vetletind – zu Deutsch: „Wie ein offenes Buch“. Die Route reiht eine hübsche Verschneidung an die andere, lässt sich gut absichern und macht richtig Spaß. Und weil sie so schön ist, verzichten wir am Ende auf die Ausquerung und gehen auf gut Glück grade nach oben weiter und finden auch einen schön kletterbaren Weg. Warum die Route also schon nach 6 SL enden soll, bleibt uns ein Rätsel.
Der Abstieg von der Schulter des Vetletind ist schön und sonnig und mit dem Donnern der Wasserfälle, dem Blöken der dickfelligen Schafe und dem weiten Fjordblick finden wir irgendwann die roten T-Markierungen und mit ihnen zurück in die Zivilisation.
Die Sonne dauert noch einen Vormittag an. Wir wählen am Vetletindpillaren den „Silkeveien“. Der ist kurz und einfach und da haben wir eine reelle Chance, trocken wieder runter zu kommen. Die Route steht im Buch mit 4+ und ist erfreulicherweise erheblich anspruchsvoller als beispielsweise die Via Lara am Haegfjell. Jedenfalls haben wir viel Spaß. Beim Abseilen treffen wir mit Kameradrohnen filmende Schweizer von Rockvision, die sich an einer Bohrhakenwunder- 6+ beweisen. Schade, dass diese Erschließungsexzesse auch vor dieser schönen Wildnis nicht Halt machen. Und gleichzeitig sind wir echt froh über unsere schön solide Abseilpiste.
Irgendwann kommt dann der angekündigte Schauer. Und zwar richtig. Stunde um Stunde prasselt der Starkregen nieder begleitet von ordentlichen Böen. Ein Ende ist nicht in Sicht. Die Wettervorhersage spricht von rund 100 mm Niederschlag und wer weiß, ob die mal gereicht haben? Jedenfalls werfen wir unser plitschplatschnasses Zelt ins Auto und die ganze nasse Ausrüstung und schauen, dass wir hier weg kommen und über den Haukeli, der uns die Wolken aufhält.
Medin Fazit: Uskedalen ist für plaisirbefreite Kletterer unbedingt eine Reise wert. Vor allem bei stabiler Ostwindlage.
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