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ZuccoDellAngeloneII-Reisebericht

Zucco dell' Angelone 2008, zweite Tour

Irgendwann an einem grauen Wintertag sitzen wir zusammen und plaudern, während Stephans Anja uns mit ganz vielen Leckerlis verwöhnt. Und Stephan zeigt in den Kalender und sagt zu mir: „Jörg, magst Du Dir mal das Wochenende hier frei halten? Da können wir was unternehmen.“

Mach ich. Schaue ein paar Tage vorher in die Wettervorhersage. Sehe nur norddeutsches Bä. Schaue weiter südlich und sehe italienisches Aah und Ooh. Und nachdem Stephan, Rike und mein Konto zugestimmt haben, sitzen wir Freitag abend auf dicht gestaffelten und voll abwischbaren Ryanair- Flugsesseln und schauen den Stewardessen zu, wie sie die nervtötenden Gewinnspiele der Passagiere auswerten. So fühlt es sich wenigstens billig an.

Das stört uns nicht wirklich. Bringt uns in weniger als zwei Stunden mitternachts nach Bergamo und um viertel vor zwei kommen wir an in dem kleinen Nest Introbio irgendwo in der Nähe des Comer Sees. Heizung scheint in Italien überflüssung und entsprechend ist das Zimmer saukalt. Die Betten werden bis morgens nicht mehr warm. Das macht uns das Aufstehen leichter, damit wir in dem malerisch engen Gassenlabyrinth den Bäcker suchen können.

Als erste stehen wir unter dem riesengroßen wolkenlosen Himmel in der Südflanke des Zucco dell' Angelone am Fuß des Quattro Sperone. Die Wand ist in mehrere Felsen unterteilt und der Quattro Sperone ist der größte davon. Und als erste steigen wir in die Anabasi ein. Die ist mit ihren zwölf Seillängen die längste Tour am ganzen Zucco und mit 5c, also glatt VI, auch noch recht verträglich. Genau richtig für uns. Einfach nur schön. Abwechselnd über Platten, durch eine Verschneidung, über Platten und Risse, Platten mit Henkeln drin und Platten mit guten Trittmulden. Durch einen netten, verschnittenen Überhang und - bevor ich es vergesse - über ganz viele Platten. Parktischerweise gibt es Parallelrouten, so daß die Seilschaften aneinander vorbei können, bis sie sich irgendwo in der Wand verlieren.

Wir suchen uns einen schönen, bequemen Mittagsstand, wo einfach alles nur toll ist. Der große blaue Himmel, die Ruhe am Fels, das Grins, das Kicher, und der Blick in die weite Landschaft, oben verschneit und unten schon frühlinglich. Was mir keiner geglaubt hat, es wird warm. Richtig warm. Richtig heißes Südwandfeeling. Schlau, wer da seine große Flasche Wasser mitgenommen hat. Die Brötchen, nennen wir sie Panini, sind so wunderbar lockerleicht, daß man meinen könnte, es wär gar nichts drin. Dabei ist da doch jede Menge Luft. Deshalb muß man auch dringend italienischen Bergkäse reinstecken. Oder die Salami. Und die hab ich für mich ganz allein. Was so ein paar kleine Ziffern auf der Packung alles an Freundlichkeiten freisetzen. „Die kannste mal alleine essen.“ Klar. Kann ich. Mach ich. Mjamm.

Uns geht es gut. Und der Sonne auch. Die hat uns alle gern und zum Glück nehme ich über den Nacken ein Seil auf. Da spür ich erst, wie gut es ist, die Sonnencreme mitzuschleppen. Spät ist besser als nie. Während Friederike sich von Sonne und Helmband ein österreichisches Rotweißrot auf die Wangen schminken läßt.

Nach dem Essen wird die Route dann richtig spannend, wenn es in den Schlüsselriß einsteigt. Stephan meistert das souverän. Wie könnt es auch anders sein? Und mit seinem untrüglichen Orientierungssinn bringt er uns auch recht hurtig über die Platten nach oben, so daß wir schon wenig später auf der Gipfelkartoffel sitzen.

Aber nicht ohne daß der Berg mir noch ein Hallowach ins Ohr geflüstert hat, als mir eine scheinbar bombenfeste Schuppe ausreißt und ich unverhofft im Seil hänge, während die steinerne Granate auf dem Weg zu Tal eine unangenehme Splitterwirkung entfacht. Gut daß da keiner steht.

Am nächsten Tag ist es diesig und wir gehen am Primo Sperone Platten laufen. Der ist kürzer als der Quattro Sperone und die Platten etwas kompakter. Da sind ganz viele Tritte und Griffe drauf. Ganz bestimmt. Man braucht nur manchmal sehr lange, bis man sie sieht und noch länger, bis man nicht dran runter rutscht. Stephan hypnotisiert die Wand, was die Sache aber nicht leichter macht. Und seine klaren Worte werden begleitet von meinem ununterdrückbaren Grinsen. Piiiiiiiiep sagt der Amerikaner. Das Grinsen vergeht mir dann zwei Seillängen später auch, als ich eine Steilstufe mit gar nichts überwinden muß. Schließlich entspricht so eine 6a+ ungefähr einer VII und das ist gar nicht so einfach. Geht nur mit Trickserei und danach noch mal Toprope auf anständige Weise. Zum Glück wissen wir uns zu helfen.

Genau wie Friederike, der die Füße in den Kletterschuhen zu sehr schmerzen und die einfach in die Bergschuhe umsteigt. Sind Bergschuhe. Kann man mit klettern. Bestimmt.

Dann noch ein Eis auf dem Weg zum Flughafen, ein Bier auf den Weg zum Gate und einen Flug auf dem Weg nach Hause. Und was bleibt? Ganz viele schöne Eindrücke und Erinnerungen. Und wenn ich nachher wieder von unserer Lieblings-6a+ träume, schaff ich mit ein bißchen Glück endlich in dieser Nacht diese verzwickte Schlüsselstelle.

Euer Jörg.

P.S.: Danke an Friederike und Stephan für viele schöne Bilder!
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